Idstein in Deutschland. Man müsse „der Dämmerung Raum geben“, leitet Martin Herzberg den zweiten Teil seines Konzerts im Gerberhaus ein, denn „wer weniger sieht, hört mehr…“. Und so werden bis auf drei Lichtquellen rund um das Keyboard, von dem mit Hilfe des mitgebrachten Laptops gesampelte Steinway-Klänge ausgingen, die Lichter im Gerberhaus gelöscht – die ganz besondere Atmosphäre unterstreicht die Wirkung seiner selbst kreierten Musik im Stil von Yann Tiersen (Die fabelhafte Welt der Amelie) und Ludovico Einaudi (Ziemlich beste Freunde), bei der man sich mühe- und schwerelos seinen Träumen hingeben kann.
Bereits das bewegende Vorprogramm mit zwei eigenen Stücken der 27-jährigen Lisa Wirth, Tochter der privaten Veranstalterin Elli Baum, lässt das Publikum in die Musik versinken, denn es scheint Momente aus dem Leben der jungen Künstlerin aufblitzen zu lassen, die eine klassische Ausbildung hat und seit ihrem sechsten Lebensjahr Klavier spielt. Ihre leicht melancholischen, wechselvollen Melodien mit Anflügen von Jazz passten perfekt zu diesem Sommerabend, aber auch zu Martin Herzbergs Hauptprogramm, das Baum zu Beginn mit „Die Seele soll Platz und Flügel bekommen“ ankündigt und damit nicht zu viel versprochen hat.
Der eigens am Vormittag aus Berlin angereiste Pianist und promovierte Musikwissenschaftler verbindet seine genreübergreifenden und gefühlvollen Lieder, teilweise von seiner warmen Stimme mit ernsten bis heiteren Texten begleitet, teilweise mit elektronisch verfremdeten Klängen unterlegt, durch humorvolle Erläuterungen: So kündigt er „Etwas bleibt“ als „Herzbergschen Herzschmerz“ an, den er der Unmenge bekannter Liebeslieder hinzufügen wolle. Dass Musik etwas von Endlichkeit hat, verbindet er mit dem Abschiedslied für seinen zu Lebzeiten eher wortkargen Vater, „Rain without words“ – kein Moment sei wiederholbar. Bei einer Umfrage nach Widmungswünschen auf Facebook sei gemeinsam der für die 15-jährige Jana gewählt worden, die wegen einer Erbkrankheit früh sterben musste – in „Janas Song“ schwingt viel Empathie und Ergriffenheit mit, während der charismatische Künstler mit eher leicht verträumten Stücken wie „Sonne“, „Laufenlernen“ oder „So viele schöne Türen“ Dankbarkeit und Lebensfreude in Töne umgesetzt hat, die unwiderstehlich in ihren Bann ziehen.
Elli Baum veranstaltet jährlich mit Bruder und Tochter ein klassisches Hauskonzert zuhause, erklärt sie am Rande. Da Herzberg nicht nur riesige Konzertsäle füllt, sondern auch Hauskonzerte gebe, habe man diesmal auf die Klassik verzichtet. Das Gerberhaus wurde angemietet, da dessen bauliche Eigenheiten und stilvolle Bühnendekoration die fast schon meditative Atmosphäre intensivierten. Das begeisterte Publikum verbringt einen sehr privaten und stimmungsvollen Abend, der erst gegen halb elf mit der zweiten Zugabe endete.
Von Marion Diefenbach, Wiesbadener Tagblatt, September 2017